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Geschichte

Angesichts der reichen jüdischen Geschichte in Unterfranken und ihrer Vernichtung während der NS-Herrschaft lag die Idee nahe, eine Institution zu schaffen, die der Dokumentation dieser Geschichte gewidmet sein sollte. Seit den 1960er Jahren hat David Schuster, seit 1958 Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg und Unterfranken, über diese Idee gesprochen.

Porträt von David Schuster, 1996Als sich in den 1970er Jahren die Gemeinde aufgrund von Überalterung und Mitgliederschwund nicht mehr in der Lage sah, die baufälligen Gebäude der Vorkriegszeit für eine weitere Nutzung zu sanieren, entstand akuter Handlungsbedarf. In dieser Situation für Abhilfe zu sorgen, sahen sich die Stadt Würzburg und der Bezirk Unterfranken verpflichtet.

Doch erst seit 1980 fanden Verhandlungen zwischen der Israelitischen Kultusgemeinde, dem Bezirk und der Stadt statt. Zu dieser Zeit setzte auch die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema Holocaust ein. Die Gespräche verbanden zwei Ziele: der Gemeinde durch Renovierung und Anmietung eines Teils des Gemeindezentrums den Erhalt des Gebäudes zu ermöglichen. Und eine Institution zu schaffen, die der Sammlung, Erforschung und Präsentation der reichen jüdischen Geschichte in Würzburg und Unterfranken gewidmet sein sollte.

1985 einigten sich die Gemeinde, der Bezirk und die Stadt. Bis zum Herbst 1986 wurde der 1. Stock des ehemaligen Altersheims umgebaut. Stadt und Bezirk richteten darin das “Dokumentationszentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken“ ein und übernahmen je zur Hälfte die Kosten des Unterhalts. Als einziger Mitarbeiter und wissenschaftlicher Leiter wurde Dr. Hans Peter Baumexterner Link angestellt. Das Zentrum wurde als Unterabteilung organisatorisch dem Stadtarchiv angegliedert.

Im März 1987 eröffnete das Zentrum mit einer Ausstellung zur Veitshöchheimer Genisa. Als Begleitheft dazu erschien die erste Publikation “Zeugnisse jüdischer Geschichte in Unterfranken“, in der David Schuster im Vorwort seine Ziele für das Zentrum formulierte. Er erstrebte eine “Stätte, wo wissenschaftlich geforscht wird und auch jüdische Religion und Kultur gezeigt und erklärt werden. Vor allem die junge Generation soll hier an Ort und Stelle mit dem Judentum vertraut gemacht werden. Sie soll eingeladen werden, das Judentum, seine Bräuche und Gebete, seine vielseitigen kulturellen Hinterlassenschaften und eben auch seine Geschichte unbefangen kennenzulernen.“

Ausstellungseröffnung im Dokumentationszentrum mit Dr. Baum, David Schuster und Dr. Wagner

Das Angebot von Führungen durch die Synagoge und das Gemeindezentrum wurde vor allem durch Schulklassen rege genutzt. So entstand das Bedürfnis nach einer flankierenden Dauerausstellung zu Religion, Brauchtum und Geschichte der Juden in Unterfranken. Sie wurde 1992 mit ca. 120 Exponaten eingerichtet und bestand überwiegend aus historischen Fotos, Dokumenten und Ritualgegenständen.

Blick in die Ausstellung im alten Dokumentationszentrum, etwa im Jahr 2000

Als im Zuge des Neubaus des Gemeindezentrums seit 2003 ein Teil der bisherigen Gebäude abgerissen wurde, musste die Ausstellungsfläche für eine Übergangszeit stark reduziert werden. Dafür bot das 2006 eingeweihte neue Gemeindezentrum auch dem Dokumentationszentrum große und helle Räume für Bibliothek, Büro, Archiv und Ausstellung. Die Dauerausstellung wurde neu konzipiert. Und der Tätigkeitsschwerpunkt des Zentrums verlagerte sich. Denn Führungen zur jüdischen Religion und Tradition fanden nun im neu eröffneten Museum der jüdischen Gemeinde statt.

Mit dem Leitungswechsel im Jahr 2009 ging die Dienstaufsicht über das Zentrum an den Bezirk Unterfranken über (Referat Kulturarbeit und Heimatpflege)externer Link. Für die Begleitung der Arbeit wurde von den Trägern ein Fachbeirat berufen. Seit dem 1. Januar 2011 gilt ein neuer Kooperationsvertrag zwischen der Israelitischen Kultusgemeinde, der Stadt Würzburg und dem Bezirk Unterfranken in der Form einer öffentlich-rechtlichen Arbeitsgemeinschaft. Zugleich wurde das Dokumentationszentrum in “Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken“ umbenannt.

Eröff Ausst Schneeberger P1012486 Zu Ko, F AnneGenkel

Als Expertin für deutsch-jüdische Geschichte hatte die neue Leiterin Dr. Rotraud Riesexterner Link diesen Namenswechsel vorgeschlagen. Ihr gelang es mit ihrem sehr kleinen, ständig wechselnden Team neue Impulse zu setzen, das Zentrum stärker in der Region zu verankern und zum ersten Mal überregional sichtbar zu machen. In vielfältiger Weise führte sie es ins digitale Zeitalter - mit Datenbanken für Bibliothek und Bestände, mit einer eigenen Website, mit der sytematischen Erfassung und Digitalisierung von Quellen und zuletzt mit umfangreichen online-Angeboten für eine historisch informierte Erinnerungskultur. Hierfür arbeitete das Zentrum mit regionalen Akteuren zusammen. Auch Publikationen, Vortragsprogramme und Ausstellungen beleuchteten die Breite und Vielfalt der jüdischen Gesellschaft und ihrer Kultur über die Jahrhunderte. Sie galten im Besonderen den Landjuden, Frauen, Kindern, Familienfirmen und -geschichten. Auch die jüdische Heimatforschung seit den späten 1970er Jahren wurde thematisiert. Seinem umfangreichen Auftrag kann das Zentrum angesichts seiner knappen Ausstattung jedoch weiterhin nicht gerecht werden.

Näheres zur Geschichte des Zentrums erfahren Sie in dem folgendem Aufsatz: Rotraud Ries, Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken. Ein Porträt, in: nurinst 2018, Bd. 9 (2018), S. 153-165.