Sammlungen
Kern der Arbeit einer regional- und lokalhistorisch wie auch biographisch arbeitenden Institution sind Sammlungsbestände zum Aufgabengebiet. Zudem ist das JSZ Anlaufstelle für die Besitzer einschlägiger Bestände, es nimmt diese ggf. an, um sie anschließend fachgerecht zu archivieren.
Orte und Biographisches
Orts- und personenbezogene Quellen, Abbildungen und Publikationen standen seit der Gründung des Zentrums 1987 im Mittelpunkt der Sammlungstätigkeit. Sie liegen für die ersten Jahrzehnte analog vor und sind systematisch abgelegt, aber nicht erfasst.
Bei vielen Anfragen oder in den Projekten des Zentrums geht es um biographische Informationen zu jüdischen Familien in Unterfranken. Ein Beispiel dafür ist die Recherche zu den Biographien der Shoa-Opfer für Stolperstein-Verlegungen oder für das historische Informationsangebot am DenkOrt Deportationen. Auch dieses Material wird systematisch gesammelt. Gleiches gilt für alle Informationen zu einzelnen jüdischen Gemeinden. Seit 2009 werden beide Sammlungen überwiegend digital geführt.
Auch die umfangreiche Sammlung des jüdischen Heimatforschers Michael Schneeberger (1949-2014), die seit 2015 Teil der Bestände des Zentrums ist, enthält vorwiegend biographisches, familien- und ortsgeschichtliches Material und kann wesentlich zur Erweiterung der verfügbaren Informationen beitragen.
Größere Sammlungsbestände
Michael Schneeberger erforschte über 30 Jahre lang die Geschichte jüdischer Familien und Gemeinden vor allem in Franken. Seine Sammlung bildet seit 2015 einen Schwerpunkt der Bestände im JSZ. Er beschäftigte sich vor allem mit dem Raum Kitzingen. Die Sammlung ist nach archivischen Kriterien geordnet und verpackt, ihr Inhalt in der Beständedatenbank erfasst.
Auch ein Teil des Nachlasses des israelischen Journalisten Shraga Har-Gil befindet sich im Zentrum. Er wurde 1926 als Paul Philipp Freudenberger in Würzburg geboren. Über Jahrzehnte schrieb er als Nahost-Korrespondent für verschiedene deutschsprachige Zeitungen und Magazine. Die umfangreiche Sammlung seiner Artikel wurde dem Zentrum 2011 von den Erben überlassen, sie ist nach Jahren sortiert.
Fotos und Dokumente aus der Kaufmannsfamilie Ruschkewitz, die von 1898 bis 1935 in Würzburg das gleichnamige Kaufhaus führte, erzählen von einem wichtigen Teil der Würzburger Stadtgeschichte. Das Depositum von Dr. Roland Flade zur Familie (s.u.) ergänzt diesen Bestand. Teile aus dem Nachlass von David Schuster (1910-1999), dem langjährigen Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde in Würzburg, bereichern ebenfalls die Bestände des JSZ.
Einen weiteren Schwerpunkt des Archivs bilden Sammlungen, die im Rahmen von lokalen Forschungsarbeiten oder Dokumentationen zur jüdischen Geschichte entstanden sind. Dazu gehören etwa Quellen und Unterlagen aus der Arbeit am “Biographischen Handbuch Würzburger Juden 1900 bis 1945”, darunter die Kartei von Reiner Strätz zu jeder einzelnen Person aus der Jüdischen Gemeinde Würzburg. Meist aus den 1990er Jahren liegen Sammlungen von Fotos zu mehreren jüdischen Friedhöfen in Unterfranken vor, darunter prominent die Fotodokumentation zum Friedhof Allersheim und die Fotos der gedruckten Dokumentation zu Höchberg. Die übrigen Fotosammlungen eignen sie sich aufgrund ihrer geringen Qualität meist nicht für die Dokumentation der Grabinschriften.
Poesiealbum von Klara Oppenheimer
© JSZ
Einzelquellen und Objekte
Einzelne Quellen und Objekte von ganz unterschiedlichem Wert gelangen als Abgaben oder Schenkungen ins Zentrum oder wurden von diesem erworben. Dazu gehören prominent das Poesiealbum der späteren Kinderärztin Dr. Klara Oppenheimer (1867-1943) sowie das der jungen Lilly Adler aus Westheim bei Hammelburg. Das Porträt der Antiquitätenhändlerin Ernestine Seligsberger (1864-1939) von Willy Exner bildete 2015 den Ausgangspunkt für eine historische Ausstellung zu ihrer Familie. Von Louise Sachs (1856-1942) liegt ebenfalls ein Porträt vor. Vier hebräische Bücher wurden lange Zeit als Leihgaben aus dem Staatsarchiv Würzburg in der Dauerausstellung gezeigt, darunter ein Gebetbuch aus der Familie Saalheimer in Goßmannsdorf mit spannender Geschichte.
Deposita
Das Archiv im Johanna-Stahl-Zentrum umfasst als Originalquellen die Deposita der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg Unterfranken und der dortigen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Diese sind bislang kaum oder gar nicht erschlossen, über ihre Nutzung entscheiden allein die Besitzer. Zu den Deposita gehört auch der größte Teil der Memmelsdorfer Genisa, die zwischen 1979 und 1982 in Hohlräumen unter dem Dach der Memmelsdorfer Synagoge gefunden wurde. Der Fund besteht überwiegend aus religiösen Schriften, enthält aber auch andere Texte sowie Textilien und einige Alltagsgegenstände. Er wurde durch die Genisa-Forschungsstelle in Veitshöchheim weitgehend verzeichnet. Das Depositum von Dr. Roland Flade ergänzt entscheidend den umfangreichen Bestand zur Familie Ruschkewitz im JSZ. Denn es enthält das KZ-Tagebuch von Ernst Ruschkewitz.
Digitalisate aus externen Projekten und Archiven
Die digitale Sammlung des JSZ besteht aus Quellen und Abbildungen und gruppiert sich wie folgt:
- Biographische und lokalgeschichtliche Einzelquellen und Fotos
- Friedhofs-Fotodokumentationen für die jüdischen Friedhöfe von Bad Neustadt a.d.S., Gerolzhofen, Hüttenheim, Karbach, Kleinbardorf, Oberlauringen, Schweinfurt, Steinach a.d.S., Würzburg-Lengfeld
- Aus dem Staatsarchiv Würzburg: Jüdische Standesregister und Pfarrmatrikelzweitschriften, Gestapoakten allgemein (z.B. mit den Deportationslisten), das „Gestapo-Fotoalbum“ zur 1. bis 3. Deportation, eine Auswahl individueller Akten, ggf. mit Fotos
- Stadtarchiv Würzburg: Grundlisten der Sammelquartiere der NS-Zeit
- Arolsen Archives: Listen jüdischer Bewohner in unterfränkischen Orten für die NS-Zeit
- Yad Vashem: Listen jüdischer Bewohner in unterfränkischen Orten für die NS-Zeit
- CAHJP: Aus dem Bestand der jüdischen Gemeinden in Unterfranken, der 1938 in Zusammenhang mit dem Novemberpogrom von der Gestapo konfisziert, im Staatsarchiv Würzburg gelagert und 1954 nach Israel abgegeben wurde, sind bereits seit den 1980er Jahren Quellen verfilmt worden. Sie stammen schwerpunktmäßig aus der Gemeinde Würzburg. Diese Filme liegen demnächst alle als Digitalisate vor. Weitere Digitalisate wurden in Jerusalem bestellt, vor allem Register jüdischer Friedhöfe.
Zeitzeugeninterviews und Filme
Interviews mit Zeitzeugen stellen eine zentrale Quelle für die jüdische Geschichte der letzten 90 Jahre dar. Inzwischen gibt es allerdings kaum noch die Gelegenheit, solche Interviews zu führen, weil nur noch wenige Zeitzeugen leben. Das Zentrum verfügt über einige Audio-Interviews, die seit 2009 geführt wurden. Von großer Bedeutung sind die Video-Interviews, die im April 2012 mit ehemaligen Würzburger Jüdinnen und Juden während ihres Besuchs in der Stadt aufgezeichnet werden konnten. Achtzehn thematische Ausschnitte aus diesen Interviews (je 3-4 Minuten lang) können auf der Videostation im Ausstellungsraum des Zentrums angesehen werden. Ausschnitte aus fünf Zeitzeugeninterviews mit Menschen, die Michael Schneeberger nahestanden und seine Arbeit begleiteten, waren 2019 in der Ausstellung über diesen bemerkenswerten jüdischen Heimatforscher zu sehen.
Externe Zeitzeugeninterviews und Filme zum Thema sind ebenfalls vorhanden.