zur Hauptnavigation springen zum Inhalt springen

Leo Stahl (1888-1960), Würzburg/Paris

Leo Stahl war das vierte von sechs Kindern des Ehepaars Samuel und Regine Stahl, geb. Bodenheimer. Er wurde am 1. September 1888 in Würzburg geboren. Nach dem Gymnasium besuchte er dort die Universität und gehörte der jüdischen Studentenverbindung Salia an.

Anschließend war er wohl als Kaufmann im elterlichen Geschäft tätig, während er zugleich als Korrespondent für die Breslauer Zeitung und das Stuttgarter Tageblatt arbeitete. Schon 1913 trat er in die Redaktion der Frankfurter Zeitung (FZ) ein und galt dort als "Leitartikler".

Zwischen 1914 und 1918 war er zwar als Unteroffizier im Krieg eingesetzt und wurde schwer am Bein verwundet. Er konnte jedoch wohl die zeitlichen Freiräume für seine Doktorarbeit nutzen, die 1916 veröffentlicht wurde. Sie hatte zum Thema: "Zur Frage der Weiterbildung des Haager Seeminenabkommens vom 18. Oktober 1907".

Seit Jahresende 1920 arbeitete Leo Stahl als Korrespondent der FZ in Paris. 1926 wechselte er in die Auslandsredaktion der "Vossischen Zeitung" und war gleichzeitig Leiter der Pariser Redaktion des Ullstein Nachrichtendienstes. 1927 heiratete er Edith Widmer, die Ehe sollte kinderlos bleiben. Den journalistischen Beruf musste Leo Stahl 1934 zunächst aufgeben, da ihm die Nationalsozialisten jedwede Tätigkeit für deutsche Zeitungen unmöglich machten. Er verdiente sein Geld nun als Export-Kaufmann in Paris.

1939, kurz vor Kriegsbeginn, wurde er nach einer Denunziation festgenommen, nach rund neun Monaten Internierung in einem französischen Militärgefängnis und im Lager Gurs aber wieder entlassen. Er lebte bis Ende 1941 unbehelligt in Paris, flüchtete dann vor der Gestapo über das Dach seines Hauses und verbarg sich drei Jahre unter zehn verschiedenen Namen in Paris und der Provinz im Untergrund. Seit 1944 trat er wieder öffentlich in Erscheinung und hielt Vorträge im Rahmen von Abendveranstaltungen des "Deutschen Kulturkreises".

Ob er sich 1940 von seiner Frau hat scheiden lassen, ist ungewiss. Der Nachruf lässt darauf keine Schlüsse zu. Etwa ab 1950 war er als Korrespondent des "Aufbau" (Sitz in New York) für Frankreich tätig. Er soll sich in Zeiten zunehmender politischer Zuspitzungen stets als kühler Kopf mit herausragenden analytischen Fähigkeiten erwiesen haben. Leo Stahl starb am 8. August 1960 im Alter von 71 Jahren in Paris. Die Todesursache ist nicht bekannt.

Leo Stahl stand mit einer Reihe berühmter Persönlichkeiten in Kontakt. So findet sich im Bundesarchiv (Koblenz) seine Korrespondenz mit dem DDP- und späteren SPD-Politiker Anton Erkelenz, und Kurt Tucholsky sagte über ihn, dass er "ein vorbildlich anständiger Kollege" gewesen sei.

Quellen:
Manfred George, Nachruf für Leo Stahl, in: Aufbau, 19.08.1960, S. 3;
Frank Julius u.a. (Hgg.), Geschichte und Schicksale 1924-1949, [o. O. 1949, Typoskript], S. 22f.;
Salia (Hg.), Festgabe zur Feier des 80. Stiftungsfestes, 1884-1964, S. 4-6, H, L;
Reiner Strätz, Biographisches Handbuch Würzburger Juden, 1900-1945, Würzburg 1989, Bd. 2, S. 576f.


Recherche und Text: Riccardo Altieri, JSZ, 2018