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Wirtschaft

Die jüdischen Bewohner der Städte, Märkte und Gemeinden in Unterfranken waren ein wichtiger Teil der lokalen Wirtschaft. Aus historischen Gründen konzentrierten sie sich stark im Handel und spielten im 20. Jahrhundert oft eine deutlich sichtbare Rolle in der Geschäftswelt der einzelnen Orte. Auch die Zahl der Viehhändler war auf dem Land noch recht groß. Systematisch hat sich die Forschung dieses Themas jedoch noch kaum angenommen.

Die jüdische Geschäftswelt an der Kaiserstraße in Würzburg

An der Kaiserstraße ist im April 2018 am Kaisergärtchen gegenüber des Würzburger Hauptbahnhofs eine Stele aufgerichtet worden. Exemplarisch soll sie anhand einer Straße den wichtigen Anteil der Juden am städtischen Wirtschaftsleben zeigen. Und vor Augen führen, dass alle Geschäfte, Kanzleien und Praxen in jüdischem Besitz in den 1930er Jahren unter dem Druck der NS-Politik verkauft oder aufgelöst wurden.

Die Informationen liefert eine WebApp, ein mobiles online-Angebot, das über einen QR-Code aufgerufen werden kann. Die App ist mit allgemeinen und den Informationen zu den 21 Geschäften in jüdischem Besitz im Jahr 1929/30 bestückt. Kurzbiographien der 53 Geschäftsbesitzer:innen ergänzen die Informationen zu den Geschäften. Die Ansicht ist für kleinere Bildschirme formatiert. Auch auf dem PC lässt sich das Angebot aufrufen: Stele Kaiserstrasse.externer Link

Weinhandel und Textilhandel in Würzburg - Karten

Nicht nur an der Kaiserstraße wird offenbar, dass jüdische Geschäftsinhaber und Geschäftsinhaberinnen vor der NS-Zeit eine wichtige Rolle im Textilhandel der Stadt spielten. Mehr noch gilt dies für den Wein- und Weingroßhandel.

Im Würzburg-Atlas erschien dazu 2016 eine Karte, auf der alle Standorte für diese beiden Branchen markiert sind:

Ries, Rotraud, Die jüdische Gemeinde – Spuren im Stadtraum, in: Atlas Würzburg. Vielfalt und Wandel der Stadt im Kartenbild, hg. von Barbara Hahn/ Roland Baumhauer/ Dorothea Wiktorin und der Stadt Würzburg, Köln 2016, S. 52-55.

Jüdische Handwerker

Innerhalb der jüdischen Wirtschaftsgeschichte hat das Handwerk noch so gut wie keine Aufmerksamkeit gefunden. Anders als in Osteuropa spielt es auch nur eine eher untergeordnete Rolle in der jüdischen Gesellschaft. Das war in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch anders, denn die Emanzipationsgesetzgebung schuf Anreize, um Juden eine Handwerker-Ausbildung schmackhaft zu machen. Ihre Ansiedlungsbedingungen wurden erleichtert. Doch letztlich funktionierte dieses Modell auf Dauer nicht, weil die wirtschaftliche Entwicklung die Attraktivität des Handwerks stark einschränkte und die Verwaltung jüdischen Handwerkern weiterhin oft viele Steine in den Weg legte. Viele jüdische Handwerker gaben deshalb ihren Beruf wieder auf und wandten sich erneut dem Handel zu - oder sie kombinierten beides miteinander.

Einer von ihnen war der mütterliche Großvater des Schriftstellers Jakob Wassermann in Sommerhausen, der eine Ausbildung zum Weber absolvierte, auf Gesellenwanderung ging und sich dann mit einer Manufaktur selbständig machte. Doch dann ging die technisch-wirtschaftliche Entwicklung über ihn hinweg und er musste seinen Betrie schließen ... (s. Rotraud Ries, Dichtung und Wahrheit, 2017).

Familien- und Firmengeschichte Seligsberger

Am Beispiel der Familie Seligsberger widmete sich das Zentrum 2014/15 für eine Ausstellung einer zugleich typischen und doch herausragenden jüdischen Familie des 19. und 20. Jahrhunderts. Es ging um den Aufstieg aus dem ländlichen Umfeld Würzburgs, die Geschicke des bekannten Möbel- und überregional bedeutenden Antiquitätengeschäfts, eines klassischen Familienunternehmens, das 1937 "arisiert" wurde. Das seinen Aufstieg aber Ende des 19. Jahrhunderts besonders zwei Frauen verdankte, die der Wahrnehmung bislang komplett entgangen waren: Berta und ihrer Tochter Ernestine Seligsberger (s. Rotraud Ries (Hg.), Seligsberger, 2015).